Klausurbesprechung Ich bin einigermaßen fassungslos...

Ort
Reutlingen
Studiengang
Bachelor of Laws
ECTS Credit Points
210 von 210
2. Studiengang
B.Sc. Informatik
ECTS Credit Points
0 von 180
nach der Einsicht in meine Klausur. Ich hatte eigentlich erwartet, gravierende Fehler gemacht zu haben, weil die Note dieser Klausur so extrem von meinen bisherigen Noten abweicht.

Jetzt lese ich die Klausur durch und stelle fest, dass ich alles vollständig bearbeitet habe. Ich habe alle Straftatbestände, die nötig waren, geprüft, habe den Meinungsstreit und Konkurrenzen drin. Ich habe ziemlich genau 12 Seiten geschrieben, die schreibe ich immer. Mehr schaffe ich in 90 Minuten rein schreibtechnisch nicht. 30 Minuten nehme ich mir für die Lösungsskizze. Natürlich habe ich da (wie immer) Schwerpunkte gesetzt und evidente TBMs nur festgestellt.

Als Begründung für die Vergabe von nur 50 Punkten steht drunter, meine Arbeit lasse in weiten Teilen die Beachtung des Gutachtenstils vermissen, es fehlen Definitionen und meine Subsumtion sei inkonsequent.
In sämtlichen Klausuren vorher (und das sind inzwischen ja einige), so auch beim selben Lehrstuhl im selben Semester (!) nur eben nicht Vertiefung, wurde mein Gutachtenstil und die richtige Schwerpunktsetzung positiv erwähnt.

Was ist das?
Ich hatte ja kurz in Erwägung gezogen, bei diesem Lehrstuhl meine Bachelorarbeit zu schreiben, weil mir Strafrecht echt Spaß gemacht hat.

Das ist mir gründlich vergangen. :cautious:

musste ich mal loswerden
Danke
 
So ist das - 3 Juristen und 5 Meinungen...

Leider ist es eben anders als in der Mathematik, denn da ist 2+2=4, also ein belastbares Ergebnis - das haben wir in der Juristerei nicht.

Frag beim Lehrstuhl doch mal an, wo genau Du den Gutachtenstil außer Acht gelassen hast?
 
Mario, genaugenommen waren es bisher 11 Juristen und davon eine extrem abweichende Meinung.

Wo ich den Gutenchtenstil nicht angewendet habe, muss ich nicht fragen, das weiß ich. Ich kann das Ding mit dem Gutachtenstil.
Wenn ich ihn weglasse, dann um Schwerpunkte zu setzen. Wir sind in Strafrecht Vertiefung ja nun nicht mehr im ersten Semester wo man jeden einzelnen TB subsumieren muss. Ich habe zum Teil mit verkürztem Gutachtenstil gearbeitet. Da wurden die Definitionsmerkmale bei der Korrektur einfach ignoriert.

Egal, ich werde jedenfalls meinen Widerspruch nicht zurückziehen. Durchfallen kann ich mit einer vollständigen Bearbeitung, in der nur das Ergebnis des Meinungsstreits vermutlich von der Musterlösung abweicht (das schließe ich aus dem Kommentar, meine Argumentation überzeuge nicht) ja hoffentlich nun nicht.
 
Das stellt eigentlich schon eine gute Begründung für den Widerspruch dar - in einer Vertiefungsklausur ist davon auszugehen, daß Unproblematisches schon aus Zeitgründen und wegen der Schwerpunktsetzung durchaus mit verkürztem Gutachtenstil abgehakt werden kann.

Selbst wenn der Korrektor anderer Ansicht ist, ist das eine Grundlagenentscheidung, die allenfalls einmal mit einem durchgängig einmaligen leichten Punktabzug bestraft werden darf.

Ich täte den Widerspruch auch aufrechterhalten.

Auch wenn der Prof gewechselt hat - der Ungeist, der seit Jahren in diesem Lehrstuhl herrscht, der hat ganz offensichtlich Bestand! :-(
 
Scheint ja dann nicht unbedingt am LS-Inhaber zu liegen......
 
So, nach einem Wochenende zum Abregen und vor allem einem Telefonat später, meine weiteren Erfahrungen, die vielleicht dem ein oder anderen, der das Modul noch belegt, hilfreich sein könnten.

Ich werde den Widerspruch zurückziehen.
Grundsätzliches:
Inzwischen weiß ich, dass die Zweitkorrekturen nach einem Widerspruch vom Erstkorrektor erstellt werden. Man kann natürlich Glück haben und eine/n Korrektor/in erwischen, der/die eigene Fehler zugeben kann. Es soll aber wiss. MA geben, die damit größte Probleme haben.

Meine Korrektorin, mit der ich inzwischen telefoniert habe, gehört definitiv zur ersteren Sorte - auch wenns mir nichts hilft. Sie hat sich für die Besprechung meiner Klausur sehr viel Zeit genommen und hat meine Zweifel an der Bewertung ernst genommen.
Es ist aber nach ihrer Aussage tatsächlich so, dass auch im Vertiefungsmodul erwartet wird, dass unproblematische Grundlagen sauber durchsubsumiert werden. Es sei immer noch ein Bachelor-Modul.
Entsprechend war eben auch die Punkteverteilung. Für den Hausdiebstahl im ersten Tatkomplex, den ich als unproblematisch gesehen und daher zackig runtergerissen habe, gab es vierzig Punkte, die ich fast komplett verloren habe. Für den Meinungsstreit im zweiten Tatkomplex gabs nochmal 40. Da fehlen mir die Punkte nicht, weil ich mich nicht nach der Musterlösung entschieden habe, sondern vor allem, weil ich mir mit der Entscheidung für Raub entscheidende Punkte bei der Prüfung des Vermögensbegriffs abgeschnitten habe. Für die reine Prüfung der 7 Straftabestände und der Konkurrenzen im zweiten Tatkomplex gabs dann zusammen nur die restlichen 20 Punkte.

Über die Punkteverteilung kann man sicherlich streiten aber es gibt für mich keinen Grund mehr, an der Sachlichkeit der Bewertung zu zweifeln (auch wenn mich die Note echt hart trifft).

Soweit also...
aufstehen, Krönchen richten, weitermachen
 
Wobei man natürlich den Widerspruch mit der Begründung aufrechterhalten könnte, daß das Punkteschema den möglichen und vertretbaren alternativen Lösungsansätzen nicht gerecht wird, da es den dann erforderlichen und absolvierten Prüfungspunkten des Prüflings beim Alternativansatz jegliche Punkte verweigert und deshalb fehlerhaft ist.

Da gab es mal ein Urteil zu ... daß auch bei objektiv vorhandenem Prüfungs- und Bewertungsspielraum einer vertretbaren Lösung nicht die angemessene Note verweigert werden darf, nur weil die Musterlösung und damit die Korrekturvorgabe hierfür einfach keine Punkte vorsieht.

Soll heißen: Wenn du vertretbar (!) auf Raub prüfst und bejahst und deshalb die vorgesehenen Punkte für die Diskussion der TBM "Eigentum" nicht erhältst, dann darf das nicht zu deinen Lasten gehen, sondern die Punkte sind dann eben der Prüfung "Raub" zuzuordnen, da bei diesem zulässigen Lösungsansatz nun einmal keine Chance existiert, diese Punkte zu erreichen. Nur dann, wenn diese Verkürzung nicht vertretbar sein sollte, darfst Du natürlich davon nicht profitieren...
 
Soll heißen: Wenn du vertretbar (!) auf Raub prüfst und bejahst und deshalb die vorgesehenen Punkte für die Diskussion der TBM "Eigentum" nicht erhältst, dann darf das nicht zu deinen Lasten gehen, sondern die Punkte sind dann eben der Prüfung "Raub" zuzuordnen, da bei diesem zulässigen Lösungsansatz nun einmal keine Chance existiert, diese Punkte zu erreichen.

Diese "abgeschnittenen" Probleme wären dann aber dennoch in einem Hilfsgutachten abzuarbeiten, um die Punkte hierfür zu erhalten.
 
Nein, denn dann wären sie ja ganz regulär verdient!

Es geht hier aber vielmehr um einen Anspruch, der alleine daraus resultiert, daß die Musterlösung keinen Raum für alternative, aber zulässige Lösungen lässt.

Ein Hilfsgutachten würde ja bereits den Erfüllungsvoraussetzungen der Musterlösung gerecht!

Oder um es anders auszudrücken:

Sieht die Musterlösung vor, daß Du den Raub prüfst, aber verneinst, und alle anderen Tatbestände, die in Frage kommen, ebenfalls prüfst, und sieht für alle diese Prüfungen Punkte vor, dann würde ich dir Recht geben.

Sieht die Musterlösung aber eine Prüfung auf Raub gar nicht vor, und du kommst vertretbar dazu, ihn zu bejahen, und kommst in der Logik dann gar nicht mehr dazu, andere, für dich fern liegende Tatbestände zu prüfen, dann ist ein Hilfsgutachten auch weder erforderlich noch naheliegend, denn das fertigst du ja nur an, wenn du an einer Stelle in der Klausur für dich erkennbar falsch nicht weiterkommst und dir die vorgesehenen Punkte nicht abschneiden willst. Kommst du aber begründet zu einer anderen Bewertung, für die du die normal vorgesehene Zeit auch verbrauchst, dann stellt sich die Frage nach einem Hilfsgutachten nicht.
 
Ich kenne jetzt nicht den Bearbeitervermerk der Klausur, die hier geschrieben wurde. Aber standardmäßig lautet er "Es ist auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen - ggf. hilfsgutachtlich - einzugehen".

Daher müsste man auch in deinem zweiten Beispiel ein Hilfsgutachten anfertigen und dann eben einen anderen TB als den Raub zugrunde legen. Das ändert nichts daran, dass die Annahme des Raubes völlig vertretbar sein mag. Eine umfassende Begutachtung des Sachverhalts stellt sie aber nicht dar. Erst wenn alle Probleme erkannt und vertretbar gelöst sind, ist das der Fall.

Warum sollte auch jemand, der vertretbar den kurzen Weg geht, die gleiche Note bekommen wie jemand, der genauso vertretbar einen langen Weg wählt und dabei viel mehr Probleme abarbeitet?
 
Aber genau das hatte ich doch gesagt, siehe meinen vorletzten und letzten Absatz - ansonsten drehen wir uns hier im Kreis, die wesentlichen Argumente sind vorgetragen.

Ich kenne jetzt nicht den Bearbeitervermerk der Klausur, die hier geschrieben wurde. Aber standardmäßig lautet er "Es ist auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen - ggf. hilfsgutachtlich - einzugehen".


Sieht die Musterlösung vor, daß Du den Raub prüfst, aber verneinst, und alle anderen Tatbestände, die in Frage kommen, ebenfalls prüfst, und sieht für alle diese Prüfungen Punkte vor, dann würde ich dir Recht geben.


Warum sollte auch jemand, der vertretbar den kurzen Weg geht, die gleiche Note bekommen wie jemand, der genauso vertretbar einen langen Weg wählt und dabei viel mehr Probleme abarbeitet?

... Kommst du aber begründet zu einer anderen Bewertung, für die du die normal vorgesehene Zeit auch verbrauchst, dann stellt sich die Frage nach einem Hilfsgutachten nicht.
 
Da habe ich dich falsch verstanden. Allein der Zeitverbrauch sagt ja nichts darüber aus, wieweit die Probleme des Sachverhalts abgearbeitet wurden.
 
Auch da hast du mich mißverstanden - der Korrektor kann gar nicht wissen, wie lange der Klausurteilnehmer nun konkret für den Teil der Arbeit gebraucht hat - es ging darum, daß erkennbar bei der Erstellung der für den ursprünglich geplanten Ansatz der Musterlösung entfallende Zeitansatz genutzt wurde, also eben nicht von einer wie von dir unterstellten "ganz schnellen Lösung statt sorgfältiger Abarbeitung" (kurzer Weg statt langer Weg war deine Formulierung) ausgegangen werden muß.
 
Ich glaube, wir reden aneinander vorbei.

Wir sind uns wohl einig, dass eine Lösung nicht deswegen falsch sein kann, weil sie nicht der Musterlösung entspricht. Es kommt auf die Vertretbarkeit der Argumentation an.

Dabei ist aber auf die im Sachverhalt angelegten Probleme einzugehen. Wenn Malibran sich vertretbar für eine Lösung entscheidet, bei der man nicht auf die Ansichten zum Vermögensbegriff eingeht, ändert das nichts an der Vertretbarkeit dieser Lösung. Es bleibt aber doch dabei, dass Probleme nicht bearbeitet wurden, die sich aus dem Sachverhalt ergaben.


Wahrscheinlich ist es nicht weiter relevant, aber kurz zur Erklärung:

Mit "kurzem statt langem Weg" meinte ich etwa folgenden Fall:

E tötet ihren Ehemann, den Haustyrannen T, durch die heimliche Gabe von Gift.

Bearbeiter A bejaht eine Strafbarkeit nach § 212 I StGB.

Bearbeiter B hingegen setzt sich mit dem Mordmerkmal Heimtücke auseinander, klärt, ob der Angriff in feindseliger Willensrichtung erfolgen muss und diskutiert am Ende noch die Rechtsfolgenlösung des BGH.

Im Ergebnis sind beide Lösungen vertretbar, Bearbeiter A hat aber einige Probleme "liegen lassen". Selbst wenn A in der Zeit noch § 224 I Nr. 2 und Nr. 5 StGB bearbeitet hat, ist er nicht auf alles eingegangen, obwohl er den Zeitansatz, den die Musterlösung vorgesehen hat, für seine vertretbare Argumentation genutzt hat. Also würde er von mir auch nicht die gleiche Note bekommen wie B.
 
In dieser konkreten Klausur lag für mich eben vor allem das Problem, dass ich mich entscheiden musste, für welche im SV angelegten Prüfungen ich mich entscheide.

Bei der Abgrenzung Raub/räuberische Erpressung kann man entweder die Wegnahme verneinen, dann kommt man zur räuberischen Erpressung incl. Vermögensverfügung und dem Problem des Vermögensbegriffs. Darauf war die Klausur angelegt.

Im Sachverhalt enthalten war aber ebenfalls die Möglichkeit der Prüfung eines Qualifizierten Diebstahls und eines Regelbeispiels. Beides ist Thema im Vertiefungsmodul. Wenn man die Wegnahme verneinte, kam man da nicht mehr hin. Ich habe mich gegen die Vermögensverfügung (und damit gegen die Problematisierung des Vermögensbegriffs) und für die Bejahung der Wegnahme entschieden, um die weiteren Diebstahlprüfungen unterbringen zu können. Vertretbar war m.E. beides. Meine Argumentation war allerdings auch nicht besonders brilliant.

Womit ich noch hadere, sind die 40 Punkte für den ersten Tatkomplex. Nachdem ich drei Tage vorher den Diebstahl, die Wegnahme und Bereicherungsabsicht rauf und runter in der StrR-Klausur geprüft hatte, wäre ich im Traum nicht auf die Idee gekommen, dass ich das in der Vertiefungsklausur für einen im ggs. zur Grundkursklausur nun komplett unproblematischen Diebstahl nochmal alles abladen soll, incl. der Prüfung, ob die aus dem Haus des Onkels entwendete Vase eine bewegliche Sache ist. (Ich habe allerdings in dieser Klausur auch Wegnahme nur verkürzt geprüft, indem ich den Bruch des Gewahrsams festgestellt habe - das wär schon irgendwie sauberer zu definieren gewesen :paperbag:).

Dafür waren Qualifikation und Regelbeispiel offensichtlich gar nicht gefragt, obwohl das Regelbeispiel das einzige Thema in dem SV war, das im Pflichtmodul noch nicht Thema war und in der Vertiefung neu ist.
Aber 40 Punkte für einen unproblematischen Diebstahl im Vertiefungsmodul...
Allerdings hätte ich wohl einfach erkennen müssen, dass in einer Klausur, die nur ein Standardproblem enthält, eben alles ganz besonders ausführlich zu bearbeiten ist.
 
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