EA 1 Modul 55109 Abgabetermin 17.11.2015

Hallo Herbie99
Das mit der Anscheinsvollmacht erschliesst sich mir (noch) nicht so ganz, denn der neue Prokurist P kennt den Kommanditisten T und weiss, dass er "nur" Kommanditist ist (resp. hätte es als (auch neuer) Prokurist zu wissen gehabt - Publizität des Handelsregisters -, so dass die fahrlässige Unkenntnis den P resp. den Kaufmann R selber treffen würde.

Definition Anscheinsvollmacht: Eine AVollm ist gegeben, wenn der Vertretene (hier T-KG) das Handeln des Scheinvertreters (hier T) nicht kennt, er es aber bei pflichtgemässer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und der Geschäftspartner (hier Kaufmann R vertreten durch Prokurist P) annehmen durfte, der Vertretene (T-KG) kenne und billige das Handeln des Vertreters (hier T).
Allerdings greifen diese Grundsätze nur ein, wenn das Verhalten des Scheinvertreters (hier T) von gewisser Dauer und Häufigkeit ist (BGH BeckRS 2011, 14449).
 
Ich finde den Sachverhalt so verworren...Da kann man tatsächlich alles mögliche annehmen, was es mir relativ schwer macht eine Lösung für den Fall zu finden :durcheinander
 
..., MiaChioma, da es sich m.E. hier um Unternehmensrecht I handelt, unterstelle ich einmal, dass es sich zwar um ein Stellvertretungsproblem ausgehend vom BGB AT handelt, aber letztlich lex specialis im HGB zu finden resp. zu lösen ist.
 
Gut, gehen wir mal davon aus, das Geschäft zwischen den beiden Vertretern sei geschlossen worden (Genehmigung der T-KG durch Lieferung). Sieht es denn jemand ebenfalls so, dass die Voraussetzungen des kaufm. Bestätigungsschreibens wegen der zu großen Abweichung nicht erfüllt sind? Und daraus folgend: ist hier die Fälligkeit des Anspruchs der T-KG zu bejahen?
 
Hallo Herbie90
Unter den von Dir gemachten Annahmen, würde ich erst einmal prüfen, ob ein "Kfm. Bestätigungsschreiben" den eigenen Voraussetzungen nach vorliegt.
Hier hätte ich schon Probleme mit der Redlichkeit des Absenders; auch wenn P dem R das verschwiegen hat, so ist doch der Kaufmann R (Vertretener) dafür letztlich "verantwortlich", denn der Prokurist P ist ja nur sein (Rs) Vertreter.
Selbst wenn man nur auf den Absender abstellen würde, also R, dann hätte ich noch Probleme mit dem zuvor (durch P) Abgesprochenen, das m.E. zu weit inhaltlich entfernt ist (100 € Kaufpreis zu 150 € = 50 € Differenz).
Ich würde dann eher einen (modifizierten) Antrag i.S.d. § 150 II BGB und damit einen neuen Antrag im "Schreiben" des R sehen, der aber wiederum noch der "Annahme" durch die T-KG bedürfte.
 
@Herbie90, das ist eine gute Frage!

Grundsätzlich zu meinem Gedankengang.

Für mich kam es zu einem Vertragsschluss mit der T-KG durch Lieferung und wenn nicht, spätestens durch Verlangen des Kaufpreises durch die T-KG.
Für das KBS ist dies m.E. unerheblich, denn unter dem Prüfungspunkt "Parteien haben Vertragsverhandlungen geführt" kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich ein Vertrag abgeschlossen wurde, sondern auf das Klarstellungsbedürfnis. Dieses ist regelmäßig gegeben, wenn die Vertragsverhandlungen mündlich, telefonisch oder telegraphisch erfolgt sind. In unserem Fall telefonisch.

Ich habe sogar bejaht, dass die Abweichung nicht zu gravierend ist. Dies wäre nach BGH der Fall, wenn der Absender vernünftigerweise nicht mit Billigung rechnen konnte. Hier habe ich argumentiert, dass es sich immer noch um Navigationsgeräte handelt und die Abweichung "nur" 50 € ect. beträgt (Laber Rhabarber).

Im nächsten Prüfungspunkt der "Redlichkeit" bekomme ich Probleme. R war m.E. redlich. Er hatte keine Kenntnis. Jetzt steht im Skript KE 2 S. 92. "Der böse Glaube von Stellvertretern ist dem Bestätigenden (analog) § 166 I BGB zuzurechnen."

Vielleicht kann sich das mal jemand durchlesen und mir sagen, wie er es versteht. Könnte man die Bösgläubigkeit des P dem R zurechnen, wäre an dieser Stelle mit dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben für mich Schluss.

Ich habe diesbezüglich nur gefunden, dass innerhalb eines KBS die Bösgläubigkeit einer Hilfsperson gem. § 166 I BGB zugerechnet wird. Eine Hilfsperson ist aber kein Stellvertreter.

Wie seht ihr das?

Jedenfalls wäre ich dann wie Herbie90 an dieser Stelle aus dem KBS raus. Bezüglich der Fälligkeit bin ich mir noch nicht ganz so sicher. Bedeutet Rechnungserteilung nicht, dass bei Leistung eine Rechnung erteilt wird und R sofort widerspricht, da er wegen des 50 € hören Sückpreises ablehnt. Könnte man das so auslegen, dass er eine Rechnung erhalten hat?
 
Könnte man das so auslegen, dass er eine Rechnung erhalten hat?

...ich würde es auch dann so sehen (Sachverhalt, Eure Annahme), dass die Navis mit der Rechnung geliefert werden und sofort fällig wären, wenn sie nicht falsch wären, § 434 III BGB ("andere Sache" steht einem Sachmangel gleich). Solange nicht nacherfüllt/ausgetauscht wird, hat der Verkäufer auch keinen Anspruch auf den Kaufpreis. In dem Reklamieren des Kaufpreises - wohl aufgrund der Rechnung- sehe ich dann eine Mängelrüge.
 
Nach meinem Ergebnis und den bisherigen Ausführungen hier (Vertrag zwischen den Vertretern geschlossen, kein kaufm. Bestätigungsscheiben, das am Vertragsinhalt etwas ändert) liefert die T-KG ja dann das vertraglich Vereinbarte, so dass, wenn man davon ausgeht, dass mit der Lieferung eine Rechnung gestellt wird, der Anspruch der T-KG auch fällig ist und die T-KG somit einen Anspruch auf Zahlung des KP hat.
 
ja, Herbie90, so würde ich es dann auch sehen. Aber was machst Du mit der Sekretärin und dem Zugang?
 
Also Zugang beim KBS? Die sehe ich als Empfangsbotin = Zugang ab dem Zeitpunkt, an dem mit einer Weiterleitung des Empfangsboten an den Empfänger zu rechnen ist. Das wäre hier entweder noch am gleichen, spätestens am nächsten Tag.
 
@ EnglishAirship: DIe Sekretärin habe ich bei der Frage eingebaut, ob das vermeintliche kaufm. Bestätigungsschreiben zugegangen ist.
 
@Herbie90 Das habe ich zuerst auch so angedacht. Aber wenn ich schon bei der Redlichkeit aussteige komme ich nicht mehr dazu. Deswegen dachte ich das "Bestätigungsschreiben" als neues Angebot zu sehen, welches erst noch zugegangen sein muss.
 
Ich würde dann eher einen (modifizierten) Antrag i.S.d. § 150 II BGB und damit einen neuen Antrag im "Schreiben" des R sehen, der aber wiederum noch der "Annahme" durch die T-KG bedürfte.

Das habe ich zuerst auch so angedacht. Aber wenn ich schon bei der Redlichkeit aussteige komme ich nicht mehr dazu. Deswegen dachte ich das "Bestätigungsschreiben" als neues Angebot zu sehen, welches erst noch zugegangen sein muss.

So habe ich es bisher auch.
Dann könnte die Geschichte mit der Sekretärin (Zugang) im Zweifel für den Kaufmann R/T-KG ein Problem des "Schweigens unter Kaufleuten" beinhalten, was wiederum zu prüfe wäre und dann .....
...ich würde es auch dann so sehen (Sachverhalt, Eure Annahme), dass die Navis mit der Rechnung geliefert werden und sofort fällig wären, wenn sie nicht falsch wären, § 434 III BGB ("andere Sache" steht einem Sachmangel gleich). Solange nicht nacherfüllt/ausgetauscht wird, hat der Verkäufer auch keinen Anspruch auf den Kaufpreis. In dem Reklamieren des Kaufpreises - wohl aufgrund der Rechnung- sehe ich dann eine Mängelrüge

Somit hätten wir m.E. alle Sachverhaltspunkte berücksichtigt! Oder fehlt noch etwas?
 
Zuletzt bearbeitet:
...EnglishAirship, man könnte selbst das "FAX" als KBS positiv durchgehen lassen - wobei ich auch noch weiterhin die Redlichkeit kritisch sehe - und käme dennoch zu diesem (letzten) Ergebnis.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich war durch die Ereignisse in Frankreich etwas abgelenkt.

Ich denke auch, dass alle Punkte damit abgehandelt worden sind. Ich bin dir dankbar, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast, dass es sich um ein FAX gehandelt hat. Wie so oft, habe ich es überlesen, bzw. es ist mit der Zeit in meinen Gedanken untergegangen.
 
.... ja, EnglishAirship und Herbie90, es hat richtig etwas gebracht und zudem auch noch Spass gemacht, sich hier gegenseitig austauschen und alles nochmals durchdenkend auf den "Prüfstand" stellen zu können.- Danke Euch!

Ja, auch meine Gedanken und Gefühle sind bei den vielen Opfern und Hinterbliebenen der Tragödie von Paris. Für eine freie und offene Zivilgesellschaft ist nichts erstrebens- resp. erhaltenswerter als der innere und äussere Friede des einzelnen Bürgers als Voraussetzung für ein gedeihliches, tolerantes und respektvolles Zusammenleben aller.
 
Hallo in die Runde,

bezüglich der Redlichkeit:

Ein Einwand gegenüber dem Bestätigungsschreiben ist die Unredlichkeit des Absenders. Wer in Kenntnis von der Unrichtigkeit des Bestätigungsschreiben den angeblichen Inhalt der Verhandlungen bestätigt, handelt unredlich und kann auf den wahren Vertragsinhalt verwiesen werden (K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, 19 III 5 a; aA: Canaris, Handelsrecht, § 23 II 5, der auch grobe Fahrlässigkeit ausreichen lassen will). Die Kenntnis des Vertreters wird entsprechend § 166 Abs. 1 BGB dem Vertretenen zugerechnet (BGHZ 40, 42 (45 ff.)).

BGHZ 40, 42 (45 ff.) führt hinsichtlich der Frage der Zurechnung aus: „Von einem redlichen Geschäftsgebaren kann aber auch dann nicht gesprochen werden, wenn ein mit der Führung der Verhandlungen beauftragter Vertreter dem Geschäftsherrn über den Ablauf der Verhandlungen eine in der genannten Weise unrichtige Darstellung gegeben hat, der Geschäftsherr diese Darstellung seinem Bestätigungsschreiben zugrundelegt und, nachdem der Empfänger des Schreibens geschwiegen hat, die Rechtswirkungen eines unwidersprochen gebliebenen Bestätigungsschreibens für sich in Anspruch nehmen will, mag er selbst auch bei der Abfassung und Absendung des Bestätigungsschreibens gutgläubig gewesen sein. Die Unredlichkeit des Vertreters liegt im Verhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Vertragsgegner im Gefahrenbereich des Vertretenen. Im bürgerlichen Recht gilt der Grundsatz, dass, »wer sich im Rechtsverkehr fremder Hilfe bedient, und die Wirkung fremden Handelns für sich in Anspruch nimmt, auch die Nachteile daraus in Kauf nehmen muss und sich nicht der eigenen sauberen Hände rühmen darf, wenn andere sie sich für ihn schmutzig gemacht haben« (Raiser, JZ 1961, 26, 27). Eine Stütze für diese Auffassung bildet die Vorschrift des § 166 Abs. 1 BGB. Danach kommt, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, die Person des Vertreters in Betracht. Der Vertretene muss also das Rechtsgeschäft so hinnehmen, als habe er selbst die Kenntnis gehabt. Die Vorschrift bezieht sich unmittelbar zwar nur auf die Kenntnis des Vertreters bei Abgabe seiner Willenserklärung. Die Bestätigung ist dagegen eine Erklärung des Vertretenen und folgt der Willenserklärung des Vertreters nach. Das steht einer sinngemäßen Anwendung der Vorschrift des § 166 Abs. 1 BGB auf Fälle der hier erörterten Art aber nicht entgegen. Das Schweigen auf das Bestätigungsschreiben lässt nicht etwa erst auf Grund einer mit dem Bestätigungsschreiben abgegebenen Erklärung des Vertretenen einen neuen Vertrag entstehen. Es wird vielmehr nur fingiert, dass die von dem Vertreter und dem Gegner abgegebenen Willenserklärungen einen Vertrag des Inhalts begründet haben, wie er im Bestätigungsschreiben niedergelegt worden ist. Mit diesem Inhalt gilt ein Vertrag zwischen dem Vertreter und dem anderen Teil aber dann nicht als geschlossen, wenn die bestätigende Partei weiß, dass das Bestätigte von dem Verhandelten so abweicht, dass sie mit einer Billigung nicht rechnen kann. Das ist fraglos der Fall, wenn der Vertreter selbst mit Vollmacht des Vertretenen die von ihm angeblich geschlossene Vereinbarung bestätigt. Dann kommt es für die Frage, ob die widerspruchslose Entgegennahme den Vertragsgegner bindet, auf sein eigenes Wissen an (BGH Urt. v. 23. Juni 1955 - II ZR 248/54 - WM 1955, 1284). Aber auch für den Fall, dass der Vertreter zwar nicht selbst bestätigt, jedoch durch falsche Unterrichtung des Vertretenen bewirkt, dass der Vertretene einen Vertrag als geschlossen bestätigt, der tatsächlich nicht oder nicht mit diesem Inhalt vereinbart war, liegt eine Gestaltung vor, die dem in § 166 Abs. 1 BGB geregelten Sachverhalt entspricht. Es kann keinen Unterschied machen, ob ein bösgläubiger Vertreter selbst in Vollmacht des eigentlichen Geschäftsherrn die angeblichen Vereinbarungen bestätigt oder ob er auf Grund unrichtiger Mitteilung den gutgläubigen Geschäftsherrn zur Bestätigung eines nicht zustande gekommenen Vertrages veranlasst. Der »gute Glaube« des bestätigenden Vertragsteiles ist eine Voraussetzung dafür, dass der vom Vertreter angeblich geschlossene Vertrag als zustande gekommen gilt. Die rechtlichen Folgen der vom Vertreter abgegebenen Willenserklärung hängen also davon ab, ob der Gegner des Schweigenden gewisse Umstände kennt oder nicht kennt. Nach dem Grundgedanken des § 166 Abs. 1 BGB ist es dabei gerechtfertigt, eine Kenntnis des Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen“.
 
Zurück
Oben