EA 3 55101 Abgabetermin 11.12.2012

Es geht doch im § 397 BGB in beiden Fällen um einen Vertrag!?

Die Kassiererin erklärt die Schuldenfreiheit und der A reagiert konkludent.
Nach meiner Auffassung ist ein Vertrag zustande gekommen.
Und so ein Vertrag wird rechtskräftig, auch wenn der Vertragsgegner minderjährig ist unter der Bedingung, daß nur Vorteilhaftes für den Minderjährigen im Vertrag enthalten ist.
Oder sehe ich da was falsch?
 
Vielleicht formuliere ich es anders herum:

Stell Dir vor, Du schuldest mir für umfangreiche Online-Beratung eine schöne Stange Geldes.

Heute sollst Du bezahlen, tauchst im Forum auf und triffst nur die Tutorin "Schnecke" und erzählst ihr unter Schluchzen, daß Du nicht weißt, wie Du Deiner Kinder vielköpf'ge Schar satt kriegen sollst, wenn Du mir Dein letztes Geld gibst.

Da Schnecke ein mitfühlsames Herz hat, sagt sie Dir "Achwas, vergiß das mit den Schulden beim Belgarath, die sind Dir hiermit erlassen!"

Ist jetzt ein Vertrag zwischen Dir und Schnecke entstanden, oder zwischen Dir und mir, und wenn ja, wovon hängt die Wirksamkeit ab?

Und ändert sich irgend etwas daran, wenn Du minderjährig bist und die Schulden bei mir mit Einwilligung Deiner Eltern entstanden?
 
Hallo und danke für die prompte Antwort.
Aaaaber, so einfach lasse ich Dich nicht davonkommen!

Erstens ist die liebe Schnecke nicht Deine Kassiererin, zumindest weiß man hier noch nichts davon.
Somit hätte sie auch keine Vertretungsmacht, was bei einer Kassiererin doch wohl zutrifft.

Im Text heißt es dazu u. a.: "Die 20 EUR mußt Du nicht mehr zahlen".
A nickt und bedankt sich.

Bearbeiterhinweis: Auf die rechtsvernichtende Einwendung des § 397 BGB wird hingewiesen ...

Und wenns kein Vertrag war, wehalb widerruft V telephonisch bei A, B und C und erklärt, die M sei zu Verzichtserklärungen nicht bevollmächtigt?

Gilt der Empfängerhorizont nicht bei Minderjährigen?
 
Gut, genau auf diesen Punkt kam es mir an.

Aber: Hat eine Kassiererin wirklich Vertretungsmacht, den Kunden die Schulden zu erlassen?


Oder soll sie nicht ganz einfach nur das tun, was der Name schon sagt: "Abkassieren"?
 
Als Kassiererin ist die M Vertreterin des V.
Jeder Kunde jeden Alters wird eine Kassiererin so betrachten.

Über die Frage, ob die M. auf Forderungen verzichten darf oder welche Vertretungsmacht sie tatsächlich hat steht im Fall nichts.
Im übrigen muß es m. E. den A. nicht berühren ob die M. das sagen darf oder nicht.
Es ist "sozialtypisch" im täglichen Leben, daß ein Kunde, dem die Kassiererin 20 EUR erläßt nicht zum Filialleiter rennt und sich darüber beschwert.

Es könnte natürlich sein, daß die M. für so einen Fall nicht bevollmächtigt war.
Berührt das aber wirklich den A?
Man kann § 177 BGB prüfen, aber m. M. nach verneinen.

Die Fallfrage lautet: Hat V gegen A Anspruch auf Zahlung?
 
Über die Frage, ob die M. auf Forderungen verzichten darf oder welche Vertretungsmacht sie tatsächlich hat steht im Fall nichts...

Sorry, hat ein bißchen gedauert, weil ich erst nachschlagen musste.

Doch, es steht im Sachverhalt als Aussage des Verkäufers:

"Die Kassiererin M sei auch gar nicht dazu bevollmächtigt, auf irgendwelche Forderungen zu verzichten."
 
OK, der V behauptet es im Nachhinein, das habe ich verkürzt wiedergegeben.
Konsequenz?
1. Ist ein Vertrag zustande gekommen weil sonst die Vertretung nicht geprüft werden müßte?
Ich meine ja, aus § 397 BGB.
2. War die M bevollmächtigt? Grundsätzlich ja,als Kassiererin. Jedoch mögliche Überschreitung der Grenzen ihrer Vollmacht.
 
Und wenns kein Vertrag war, wehalb widerruft V telephonisch bei A, B und C und erklärt, die M sei zu Verzichtserklärungen nicht bevollmächtigt?

Gilt der Empfängerhorizont nicht bei Minderjährigen?


Die nachträgliche Änderung Deines Beitrags habe ich jetzt erst gesehen.

Möglicherweise widerruft V nicht den Vertrag, sondern er verweigert seine Genehmigung?

Wird ein unwirksamer Vertrag dadurch wirksam, daß ein Minderjähriger in so oder so versteht?

Es lohnt sich in diesem Fall, stringent einfach am Gesetz zu bleiben!
 
OK, der V behauptet es im Nachhinein, das habe ich verkürzt wiedergegeben.

Alles, was im Sachverhalt steht, ist immer wahr, die Frage der Beweiswürdigung stellt sich nicht, wenn es keinen expliziten Hinweis gibt. Wäre es nicht wahr, wäre ein Hinweis im Sachverhalt auf die fehlende Wahrheit der Aussage.

Konsequenz?
1. Ist ein Vertrag zustande gekommen weil sonst die Vertretung nicht geprüft werden müßte?
Ich meine ja, aus § 397 BGB.

Ja, ein Vertrag ist zustande gekommen, so wie ein Vertrag mit einem Minderjährigen zunächst einmal zustande kommt.

Aber was ist mit seiner Wirksamkeit - wovon hängen ein Vertrag mit einem Minderjährigen und ein Vertrag mit einem Vertreter ohne Vertretungsmacht denn ab?

2. War die M bevollmächtigt? Grundsätzlich ja,als Kassiererin. Jedoch mögliche Überschreitung der Grenzen ihrer Vollmacht.

Richtig - und was ist die Konsequenz der Überschreitung der Grenzen der Vollmacht?
 
Wie sagt der Jurist so schön?

Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung - vergleichen wir also die beiden Gesetze, vielleicht fällt ja eine Ähnlichkeit auf:

[h=3]§ 108
Vertragsschluss ohne Einwilligung[/h] (1) Schließt der Minderjährige einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab.


[h=1]§ 177 Vertragsschluss durch Vertreter ohne Vertretungsmacht[/h] (1) Schließt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab.
 
In beiden Fällen gelten Verträge also als geschlossen, bleiben aber schwebend unwirksam!

Haben wir nun eine Genehmigung des Verkäufers?

Nein, er hat explizit durch Telefonat sowohl mit dem A wie auch mit seinen gesetzlichen Vertretern erklärt, daß er die Genehmigung verweigert.

Konsequenz?
 
Völlig einleuchtend was Belgerath sagt...muss man aber erst mal drauf kommen:hammer:.. den 177 hatte ich bisher gar nicht weiter beachtet... aber das war eine sehr anregende Diskussion, weiter so :D..
 
Macht nix, passiert öfter.

Wir haben also einen Vertrag zwischen einem Minderjährigen und einer Vertreterin ohne Vertretungsmacht.

Beim Minderjährigen haben wir zwar keine Genehmigung vom gesetzlichen Vertreter, aber hier greift natürlich die Regelung, daß dieser Vertrag nur rechtlich vorteilhaft ist - was man allerdings prüfen muß!

Beim Vertreter ohne Vertretungsmacht kommen wir schnell darauf, daß die Genehmigung verweigert wird - die Willenserklärung kommt nicht nur dem A, sondern auch seinem gesetzlichen Vertreter am Telefon zu, was ausgesprochen praktisch ist - woraus sich die Konsequenz ergibt, die im Gesetz als Rechtsfolge vorgesehen ist:

Der geschlossene Vertrag ist unwirksam.
 
Genau, denn das war ja die Fallfrage.

Wir sehen also, die fehlende Vertretungsmacht der M berührt sehr wohl den A, den seine Minderjährigkeit genausowenig schützt wie sein Empfängerhorizont!
 
Hallo Belgarath,
danke für die ausführliche Stellungnahme.
Für ein Anfangssemester ist der Fall "gar nicht so ohne...", find ich wenigstens :dejection:

Schließlich habe ich noch an der Anscheinsvollmacht herumgedoktert, aber jetzt geht es ans fröhliche Obersatz-Formulieren!
 
Zurück
Oben