Ja, man muß mindestens 2 Jahre praktische Tätigkeit in einer Steuerkanzlei ableisten um zur schriftlichen Steuerberaterprüfung zugelassen zu werden, und zwar mindestens 16 Stunden die Woche (
Quelle):

Eine Stelle für die praktische Tätigkeit zu finden war schwer, das stimmt.
Ich hätte zu den Big4 gehen können, die hätten mich mit meinem Lebenslauf als Projektmanagerin (Dipl.-Ing mit
PMP und allerlei Zertifikaten) mit Handkuß genommen und mich dann in die Unternehmensberatung geschickt - und ich hätte nichts Steuerbezogenes gelernt.
Die Big4 geben einem immer die Bescheinigung, man hätte Steuerliches in der Zeit gemacht, selbst wenn das gar nicht stimmt, deswegen werden auch so viele Leute aus dem Audit-Bereich der Big4 zur Steuerberaterprüfung zugelassen.
Aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, in den 2 Jahren etwas zu lernen und zu sehen, wie das echte Leben mit einer kleinen Steuerkanzlei (die ich ja selber nach der Prüfung aufmachen wollte) ist.
Also habe ich mich auf Stellenangebote auf der Site der StB-Kammer München beworben:
https://www.steuerberaterkammer-mue...eigen_einsehen/stellenangebote/index_ger.html
Aber es war immer das gleiche: selbst wenn "Praktische Tätigkeit für die Zulassung zur Prüfung" inserierten, suchten sie in Wirklichkeit jemanden, der langfristig bleibt - im Endeffekt eine Steuerfachangestellte.
Oder aber, sie suchten einen Kanzleinachfolger, also jemanden, der ihnen die Kanzlei für 800k€ oder mehr abkauft.
Ich hatte auch hier über das Forum Hilfe, da war jemand mit Kontakt zu vielen Steuerberatern wegen ihres Berufs - sie hat auch versucht, mich zu vermitteln, aber niemand biß an.
Ich verstehe es irgendwie auch, nachdem ich den Alltag in der Steuerkanzlei erlebt habe und den enormen Zeitdruck dort.
Da war einerseits ich, die ehrlich wie ich bin immer sagte, daß ich kein DATEV kann (man kam damals nur an die DATEV-Software, wenn man selber Steuerberater war - inzwischen
kann man DATEV auch vorher lernen!), und andererseits haben sich wohl alle gedacht:
"Wer weiß, wie lange ich die anlernen muß, und dann geht sie nach 2 Jahren wieder. Dann nehme ich lieber jemanden, der eine Ausbildung in einer Steuerkanzlei gemacht hat und schon alles kann."
Daß ich sehr schnell lerne, und mich mit neuer Software zurechtzufinden für mich eine Alltagsaufgabe ist, wollten sie mir nicht glauben - als Nichttechniker hatten sie wohl selber ewig gebraucht um DATEV zu lernen und mußten, sobald DATEV wieder etwas änderte (was sie andauernd machen) immer bei der DATEV-Hotline in Nürnberg anrufen, sonst kamen sie einfach nicht mehr mit der Software zurecht.
Mein Vater hatte die Idee, mich bei seinem eigenen Steuerberater unterzubringen, aber der hatte absolut kein Interesse, Konkurrenz für seinen eigenen Sohn (der gerade bei ihm eine Steuerfachangestellten-Ausbildung durchlief) zu schaffen.
Am Ende hat es dann aber doch geklappt - über die Schachmafia:
mein Vater erzählte einem Schachfreund von meiner Suche, und der wiederum traf zufällig einen befreundeten schachspielenden Steuerberater im Theater und prompt hatte ich eine Stelle!
Das war das eigenartigste Vorstellungsgespräch meines Lebens - so muß es sein, wenn man die Stelle sicher hat, bevor man überhaupt zum Interview antritt, etwas, das mir noch nie vorher im Leben passiert war!
Da saß ich nun und versuchte klar all meine Mängel (kann nicht DATEV, kann bisher nur einen schmalen Auschnitt aus dem Steuerrecht, usw.) darzulegen, und der Steuerberater strahlte mich nur an, wischte elegant darüber hinweg und meinte, ich würde all das schon lernen.
Ich hatte auch all die alten Jahresabschlüsse (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung) mitgebracht, die ich für meine eigene Firma immer gemacht hatte, um mein Steuerwissen nachzuweisen - er wollte nicht mal reinschauen, er glaube mir das auch so!
Da er auch Schachspieler (Münchner Meister) war, kam mir zwischendurch der Gedanke, er denke vielleicht, ich würde auch in der Klasse spielen können und er würde mir die Stelle geben, um jemanden zum Schachspielen während der Arbeit zu haben.
Also habe ich ihm ungefragt proaktiv die Wahrheit gesagt, daß ich das Schach-Gen einfach nicht habe, trotz meiner Abstammung (übrigens von beiden Seiten, das Kind zweier Spitzenschachspieler muß nicht immer selber gut Schach spielen!).
Hat ihn aber auch nicht abgeschreckt, also war es das nicht gewesen.
Und je freundlicher und positiver er war, desto mehr versuchte ich den Haken zu finden - so freundlich ist doch niemand im echten Leben?!
Aber nach 2 Jahren dort - doch, so ist er wirklich, absolut untypisch für einen Steuerberater!
Und dann nahmen mich der Steuerberater und seine Kanzleipartnerin zum Mittagessen mit und ich hatte eine Stelle für die nächsten 2 Jahre - mit Option auf 3 Jahre, sollte ich den Masterabschluß nicht in den 2 Jahren parallel schaffen, denn falls man nur den Bachelor hat, muß man 3 Jahre praktische Tätigkeit machen.
DATEV ist übrigens halb so wild, nach einer 1-stündigen Einweisung konnte ich damit arbeiten, und den Rest habe ich mir über die Hilfefunktion und über die gedruckte DATEV-Arbeitsunterlage "
Buchführung mit DATEV Kanzlei-Rechnungswesen pro" (wird aber nur an Steuerberater verkauft, die DATEV-Mitglieder sind!) angeeignet.
Und in der Zeit, in der ich in der Kanzlei war, mußte niemand mehr bei Problemen und Fragen die
kostenpflichtige DATEV-Hotline anrufen, sie hatten ja ihre Technikerin in-house
Hast du ein Praktikum gemacht?
Ja, im nachhinein wäre es klüger gewesen, falls ich mir schon vor dem Bachelorabschluß eine kleine Teilzeitstelle in einer Steuerkanzlei gesucht hätte, einfach damit die Leute hätten "testen" können, daß ich eine gute Angestellte abgebe und um Erfahrung mit DATEV zu sammeln.
Im nachinein ist man eben immer klüger
